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Vaping: Menschliche Nebelmaschinen

Vaping: Menschliche Nebelmaschinen

E-Zigaretten sind in den letzten Jahren immer populärer geworden.
Die Geräte haben sich weiterentwickelt und der Trend hat mitunter skurrile Sub-Trends entstehen lassen.
Zum Beispiel „Cloud Chasing“.

Es gibt nichts, das man nicht frisieren, aufmotzen, pimpen kann: Mopeds, Fahrräder, Autos, Computer. Überall gibt es Freaks, die an die Grenzen gehen und die Limits des jeweiligen Geräts ausreizen. Manche montieren gerne auch noch streitbare Accessoires, oder modifizieren das Gerät so, dass es nicht mehr ganz seinem ursprünglichen Zweck dient.

Um letzteren Punkt geht es auch den Cloud Chasern – einer Untergruppe von den Dampfern – also E-Zigaretten-Rauchern. Die Cloud Chaser verwenden ihre Dampfgeräte dazu, mit speziell gemischtem Liquid und ihren Lungen möglichst große Wolken zu erzeugen. Viele machen dabei auch noch erstaunliche Tricks: Sie pusten Ringe durch andere Ringe, erzeugen Luftwirbel, Rauchteppiche und -wände. Zahlreiche Youtube-Videos zeugen vom Einfallsreichtum und Können der menschlichen Nebelmaschinen.

Woher kommt der Trend?

Die E-Zigaretten haben sich in den letzten Jahren stark weiterentwickelt. Während vor einigen Jahren noch versucht wurde, das Design der elektrischen Glimmstängel an jenes der konventionellen Zigarette anzulehnen, sind die Geräte heute deutlich größer und erinnern vom Design her meistens nicht mehr im Entferntesten an Zigaretten – manche vielleicht noch an einen überdimensionierten Kugelschreiber.

Die frühen, zigarettenähnlichen Geräte wiesen auch nur schwache Leistungen auf, die sich über die Jahre immer mehr gesteigert hat. Mit der Zeit wurden die Geräte allgemein verfügbarer und vor allem deutlich leistungsstärker. So war es nur eine Frage der Zeit, bis sich spezielle Trends entwickelten. Ende der Nullerjahre soll es an der US-Westküste so weit gewesen sein, und das Cloud Chasing nahm seinen Anfang.

Mittlerweile gibt es Geräte, die so groß sind wie kleine Trinkflaschen und Leistungen von mehreren hundert Watt erzielen können – ähnlich wie ein Staubsauger oder ein Fön. Die Leistung ergibt sich aus der Ausgangsspannung der Batterie und dem Widerstand des Verdampferkopfs. Je niedriger der Widerstand, umso höher die Leistung.

Kein Wunder, dass sich bei so viel technischem Firlefanz und dem Einsatz des Ohm’schen Gesetzes auch hierzulande eine Community gebildet hat und nun der ein oder andere Stammtisch existiert, der sich regelmäßig über die neuesten Entwicklungen des Dampfens austauscht. Bei einem dieser Dampfer-Stammtische fragen wir, ob sich unter den TeilnehmerInnen ein Cloud Chaser befindet. „Nein, aber ich bin Flavor Chaser„, sagt einer aus der Runde – Dominik.

Von „Flavor Chasing“ bis #coilporn

Dominik erklärt, dass es eben nicht nur jene gibt, die nach der größten Wolke suchen, sondern auch nach intensivem Geschmack. Dabei spiele die Zusammensetzung der Liquids eine Rolle, aber auch die Wicklung und das Material des Drahts im Verdampferkopf, mit welchem der Dampf durch Erhitzung erzeugt wird.

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#glowshot #vaping #flavor #coilporn

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„Ich wickle die Drähte selber“, erzählt Dominik und zückt sein Handy, um Bilder von seinen selbstgewickelten „Kunstwerken“ zu zeigen. Sein Instagram-Account ist voll mit den Bildern seiner Wicklungen, die allesamt mit dem Hashtag #coilporn versehen sind. Einen Augenblick später zückt er sein Dampfgerät, schraubt mit wenigen Handgriffen das Mundstück ab und legt den Verdampferkopf frei, der jenen auf seinem Instagram-Account ähnelt.

Aus der anderen Hosentasche holt er ein Fläschchen hervor, dessen Inhalt er behutsam auf die Drahtspirale tropft. Obwohl Dominik ein Flavor Chaser ist, will er uns eine kleine Cloud Chasing-Vorführung geben.

Am Gerät wird dazu alles wieder zugeschraubt, er drückt auf die Feuer-Taste, man hört das charakteristische Zischen des Verdampfers und Dominik zieht dabei kräftig am Mundstück. Einen Augenblick später atmet er eine riesige Wolke aus und man sieht für einige Sekunden nichts. Es riecht süßlich bis seifig, aber anders als beim Zigarettenrauch brennt der Passivrauch zumindest nicht in der Nase.

Das Liquid, das in den E-Zigaretten verdampft und inhaliert wird, besteht zum Großteil aus Propylenglykol und Glycerin. Aromen sorgen für den Geschmack, und optional wird Nikotin in unterschiedlich hohen Dosen beigemengt. Fürs Cloud Chasing und Trick Vaping ist vor allem das Glycerin relevant, damit der Rauch möglichst dicht wird. Cloud Chaser verzichten meist auf das Nikotin.

Strenge Regeln machen erfinderisch

Als Argument für die E-Zigarette als Alternative zur konventionellen Zigarette wird von Dampfern immer wieder betont, dass im Gegensatz zur konventionellen Zigarette keine Verbrennung stattfindet, sondern eben Verdampfung, bei der weniger Schadstoffe entstehen sollen. Viele Dampfer und Händler betonen, dass Dampfen zwar nicht gesünder, aber zumindest „weniger schädlich“ sei.

Doch Wissenschaft und Politik stehen den E-Zigaretten sehr kritisch gegenüber. Nachdem jahrelang wenig bis gar keine Regulierungen existierten, wurden im Mai die EU-Tabakrichtlinie 2014 [PDF] zu nationalem Recht umgesetzt. Händlern ist es unter anderem nun verboten, einen Onlineversand für Geräte und Liquids zu betreiben.

Dampfen und Cloud Chasing: Gefährlich oder nicht?

Im Großteil der EU steht man dem Dampfen jedenfalls mangels wissenschaftlicher Datenlage über die Inhaltsstoffe misstrauisch gegenüber. Lediglich in Großbritannien hat man weniger Vorbehalte, aber über das Verhältnis zwischen der Insel und dem altem Kontinent wissen wir ja Bescheid.

Doris Marko ist die Leiterin des Instituts für Lebensmittelchemie und Toxikologie an der Universität Wien. Auch sie sieht das Dampfen kritisch, weil kaum Daten über die Wirkung der Stoffe vorliegen.

Man wisse jedoch, dass sich durch die Erhitzung im Verdampfer die Liquid-Hauptinhaltsstoffe Propylenglykol (PG) und Glycerin (VG) zersetzen können und somit aggressive Verbindungen entstehen können: „So genannte Carbonyle, wie zum Beispiel Formaldehyd oder Acrolein.“ Diese Stoffe finden sich auch im konventionellen Zigarettenrauch.

Besonders problematisch sieht die Toxikologin jedoch die Aromastoffe. Darunter besonders Diacetyl, das in vielen Liquids nachgewiesen wurde. Zwar habe man sich in den letzten Jahre in Europa sehr viel Mühe gegeben, den Gebrauch von Aromastoffen auf dem Markt gut zu regeln und die Verbraucher zu schützen, „aber immer nur im Hinblick auf die orale Aufnahme“, so die Toxikologin. Für die inhalationstoxische Wirkung sei die Datenlage „grauenhaft“ und die Langzeitfolgen zurzeit noch unberechenbar.

Diacetyl ist ein nach Butter schmeckendes Aroma, das zB in Mikrowellenpopcorn verwendet wird.

Es wird vermutet, dass Diacetyl-Dämpfe Bronchiolitis obliterans verursachen können, nachdem seit Mitte der 1990er mehrere Arbeiter besonders in Popcornfabriken in den USA daran erkrankten.

Die seltene Krankheit wird daher auch „Popcorn-Lunge“ genannt.

Häufig übersehen werde beim Dampfen auch die negative Wirkung des Nikotins – sofern im Liquid vorhanden. „Viele Leute sagen ja ‚Ich rauche nicht, der Teer ist weg‘. Da gibt es allerdings neuere Studien, die relativ gut zeigen, dass Nikotin für die krebserregenden Wirkungen beim Rauchen durchaus eine Rolle spielt“, warnt die Forscherin. Besonders im Mund-Rachen-Raum und in der Speiseröhre sei dies der Fall.

Eingefleischte DampferInnen lassen sich von diesen – bisher noch spärlichen – wissenschaftlichen Erkenntnissen und von den recht rigorosen Richtlinien momentan noch wenig beeindrucken. Alles Schall und Rauch für sie, wie es scheint. Und auch die Cloud Chaser werden weiterhin auf die Jagd nach Wolke Sieben gehen.