Einzigartige Bretter
In einer Werkstatt in der Ski-Hauptstadt Innsbruck kann man seine seine eigenen Ski oder sein eigenes Snowboard unter Anleitung bauen.
Geht man die Höttinger Gasse in Innsbruck rauf, fühlt man sich plötzlich wie mitten in einem Dorf. Die Leute grüßen, die Häuser sind alt und teilweise mit bäuerlichen Fresken verziert, und die majestätische Nordkette, die sich vor einem erhebt, gibt dem plötzlich so ruralen Feeling den letzten Schliff.
Kurz vor dem Dorfplatz kommt man auch an einer ehemaligen Metzgerei vorbei. Zwanzig Deka Extrawurst gibt’s dort schon länger nicht mehr. Die Firma SPURart hat sich in den Räumlichkeiten einquartiert. Die Fleischerhaken sind Sägen und Schleifgeräten gewichen, und dünn geschnitten ist nicht mehr der Schinken, sondern nur mehr die Furniere, welche auf die dort hergestellten Bretter raufkommen. SPURart baut nämlich individuelle Ski und Snowboards und bietet Workshops an, wo man seinen eigenen Wunschski designen und bauen kann.
Ski mit Wunschform und -design
Hannes und Andi, zwei der Workshopleiter, bereiten vor dem Selberbau-Kurs die Beläge, den Holzkern, die Gelege – also die Schichten des Skis – vor, damit die Teilnehmer:innen am Schluss unter ihrer Anleitung alles selbst zusammenbauen können. Außerdem wird einige Zeit vor dem Kurs schon geschaut, welche Skiform und welches Material zu den jeweiligen Kursteilnehmer:innen und ihrem Fahrverhalten passt. Soll es ein wendiger Ski für die Piste, ein Tourenski oder doch ein leichter und breiterer Ski sein, der im Tiefschnee gleitet? Die Auswahl der Shapes ist jedenfalls groß und auch einen Wunsch-Entwurf kann man vor dem Workshop an das Team schicken.
Die meisten Ski haben eine Holzoptik, denn die oberste Schicht des Skis ist in der Regel ein Furnier. Filigrane Einlegearbeiten, mehrere kontrastierende Hölzer, Lasergravuren oder aber auch eine Carbon-Optik können gestaltet werden. „Der Kunde oder die Kundin ist in seiner Kreativität uneingeschränkt“, sagt Hannes.
Ich hab mich für einen Allround-Ski entschieden, der sich für leichte Ski-Touren eignet und auch auf der Piste eine gute Figur macht. Dazu ein schlichtes, asymmetrisches Design mit dreierlei Furnieren: graue Silbereiche, helle Olive mit schöner Maserung und ein dünner Streifen dunkle Coco-Eiche dazwischen.
Geschick und Geduld gefragt
Am Samstagvormittag startet der Workshop schon früh. Auf den Tischen in der Werkstatt liegen schon die Beläge und Kanten, die die Workshopleiter für uns vorbereitet haben. „Wir fangen damit an, Kanten an den Belag zu biegen“, erklärt Andi. Eine ganz schön schwierige Aufgabe. Die Nasen an der Kante sind scharf und das Metall ganz exakt zurecht zu biegen, bedarf einiges an Geschick und Geduld.
Danach kommt dieser Belag in eine Form, die ein bisschen aussieht wie eine Miniramp. Dort werden dann mehrere Schichten mit Epoxidharz aufeinandergeklebt: Ein Gelege aus Fiberglas oder Carbon-Faser, der Holzkern aus Esche, das Ganze noch einmal gespiegelt und als Abschluss die Furnier-Lage mit dem Wunschdesign. Fiberglas ist schwerer und recht flexibel, weshalb es oft für Pistenski verwendet wird. Die Carbon-Faser ist deutlich leichter, aber auch etwas starrer. Sie eignet sich etwa für leichte Tourenski. Gemein ist den SPURart-Ski der Eschen-Holzkern, der das Herzstück des Skis bildet.
Die Miniramp kommt schließlich in einen Vakuumsack, der verschlossen wird. Ein bisschen erinnert die Form an einen extrem dünnen Sarkophag. „Dann kommt das Ganze über Nacht bei 60 Grad in den Ofen“, erklärt Hannes. So bekommt der Ski seine Form.
„Der schönste Moment kommt am zweiten Tag am Anfang“, meint Andi. Denn da dürfen die Ski ausgepackt werden und man bekommt ein Gefühl, wie das fertige Produkt aussehen wird. Der zweite Workshop-Tag hat es aber nochmal in sich: Nach dem Auspacken muss der Ski noch mit der Stichsäge exakt ausgeschnitten und danach mit Schleifpapier von allen Harzresten befreit werden. Ist das geschafft, blickt man aber stolz auf sein Werk und freut sich auf den Moment, die Bretter anzuschnallen.
Zehn Jahre Erfahrung und Entwicklung
Seit etwas mehr als zehn Jahren gibt es SPURart und die Selberbau-Workshops. Die Idee, individuelle Ski zu bauen und Workshops dafür anzubieten, hatte ursprünglich Michi Freymann, erzählt mir sein Geschäftspartner Peter Pfeifer: „Der Michi war Skitester und ich hab ihn bei einem Tourstopp in Deutschland kennengelernt.“ Michi bat Peter damals um Unterstützung für sein Vorhaben. „Ich hab das zuerst als eher verrückte Idee empfunden“, sagt Peter. Aber die beiden haben sie trotzdem umgesetzt und sich dabei an einem ähnlichen Projekt in Bayern orientiert.
Die hauseigenen Ski-Shapes haben sich in der Zwischenzeit stark weiterentwickelt. „Das ist ein stetiger Prozess“, betont Peter. Interessant dabei ist, dass niemand bei SPURart ein Handwerk gelernt hat, alle sind Autodidakten und auch die Entwicklung der Ski war „Learning By Doing“, erklärt Peter. Hannes und Andi, die beiden Workshop-Leiter, sind auch an diesem Research & Development-Prozess beteiligt. Sie testen neue Ski-Shapes und schauen, wo noch nachgebessert werden muss.
Wie mein selbstgebauter Ski sich fährt, werde ich wohl erst nächste Wintersaison sagen können. Denn nach dem Workshop kann man den Ski nicht sofort mit nach Hause nehmen. Er bekommt zunächst noch eine Versiegelung und eine Bindung montiert. Nach ein bis zwei Wochen wird er geliefert oder kann abgeholt werden.
Doch auch wenn man die Unikate nicht gleich ausprobieren kann, ist der Workshop eine ausgesprochen schöne handwerkliche Erfahrung. Man lernt nicht nur, wie ein Ski aufgebaut ist, sondern kann auch selbst über die Materialien entscheiden, bei allen Arbeitsschritten Hand anlegen und sich sein eigenes Design überlegen.
Auf jeden Fall sollte man ein wenig handwerkliches Geschick mitbringen und der Workshop ist definitiv nichts für Ungeduldige. Einige Arbeitsschritte dauern lange und erfordern Genauigkeit und Ausdauer. Aber eines ist sicher: Man schafft sich sein ganz persönliches, äußerst schickes Einzelstück. Und wenn es einmal ausgedient hat, ist es immer noch ein schönes Dekorationsobjekt.