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Interview für ‚Novice‘ zum Film ‚Žony na konje‘

„Die Frauen bedienen, die Männer reiten.“

Unser Film Žony na konje wurde im Juni 2024 zum ersten Mal im Klub der kärntnerslowenischen Student:innen in Wien gezeigt. Die Autorin Ana Grilc von der kärntnerslowenischen Zeitung Novice hat uns über den Film interviewt.

Dies ist eine Übersetzung des Interviews, das im Original in slowenischer Sprache erschienen ist.

Worin besteht die Tradition des Osterreitens?

Lukas Lottersberger: Der Osterritt hat seinen Ursprung eigentlich in einem heidnischen Brauch. Einst ritten die Leute im Frühling auf das Feld, um für eine gute Ernte zu beten. Auch heute noch gibt es diesen „Saatritt“, sozusagen als Vorprogramm zum tatsächlichen Osterreiten. Durch die Verbreitung des Christentums wurde die Tradition neu interpretiert. In der Form, wie wir sie heute kennen, reiten die Lausitzer Sorben von ihrem Heimatdorf in die Nachbardörfer und singen dabei Lieder, die die Auferstehung Christi verkünden. Diese Tradition ist eng mit der sorbischen Minderheit verbunden und stellt auch eine große Touristenattraktion dar. Wenn man dort vor dem Ausreiten herumfährt, sieht man überall Leute stehen, die auf die Mitfahrer warten.

KV : Das ist eine Katastrophe für jeden, der am Ostersonntag mit Google Maps durch die Lausitz fahren möchte. Wenn Sie Reiter suchen, können Sie einfach den Pferdeäpfeln auf der Straße folgen.

Beim Osterreiten sind die Reiter traditionell Männer. Aber welche Rolle spielen Frauen bei dem Brauch?

KV : Das längste Interview führten wir am Karsamstag, während die Frauen Pferde schmückten, das Gehöft herrichteten und kochten. Die Vorbereitungen dauern mehrere Tage. Am Ostersonntag bedienen die Frauen die Gäste, während die Männer durch die Dörfer reiten. Mir ist aufgefallen, dass selbst die Frauen, die kritisieren, dass Frauen nicht am Reiten teilnehmen sollten, bei den Vorbereitungen für den Ostersonntag mithelfen.

LL : Es stimmt, dass es meistens Frauen sind. In der Zwischenzeit sieht man die Männer immer wieder auf den Straßen reiten, um sich an das Pferd zu gewöhnen. Wir haben auch gelernt, dass viele Männer nicht einmal reiten können bzw. zum ersten Mal reiten sie genau als Vorbereitung für diese Tradition. Deshalb sind Ausritte wirklich notwendig.
Natürlich ist das, was wir während des Drehs erlebt haben, nur eine Momentaufnahme. Beim Osterreiten ist alles recht altmodisch, was die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau angeht. Aber es gibt eben auch einige in der Minderheit, die nicht mehr auf diese starren Geschlechterrollen beharren.

Ihr habt ein Interview mit Kolektiw Klanki geführt, das eine neue Diskussion darüber entfachte, warum Frauen nicht am Osterreiten teilnehmen dürfen. Wie haben Sie diese Diskussion erlebt?

KV : Sie sagten, dass die Diskussion nichts Neues sei. Sie diskutieren diese Frage seit 30 Jahren. Allerdings war die Bereitschaft der Männer, Frauen einzubeziehen, noch nie so groß, dass sich daran etwas geändert hätte.

LL : Ich denke, diese Diskussion hat vor allem drei Aspekte: feministische, religiöse und jenen der kulturellen Identität.

KV : Wir haben von Gegnern der Einbeziehung von Frauen gehört, dass dies eine religiöse Tradition sei und dass eine Frau, wenn sie mit ihnen fahren würde, eine religiöse Person sein müsse. Einige Reiter, mit denen wir gesprochen haben, sagten, sie seien überhaupt nicht religiös. Hier wird also mit zweierlei Maß gemessen.


Andere meinten wiederum, dass Frauen, wenn sie alle 89 Vorbereitungen treffen, auch im Hauptteil der Tradition sichtbar sein sollten.


Wir haben auch mit konservativeren Frauen gesprochen, die die Gefahr einer Umkehrung der traditionellen Rollen sahen – wenn sie die Ehefrauen der Osterreiter werden, müssen Männer Frauenkostüme tragen. Ehrlich gesagt fand ich diesen Denkprozess etwas seltsam.

Wie haben Sie den feministischen Diskurs unter Lausitzer Sorbinnen und sorbischen Frauen erlebt?

KV : Ich kann diese Frage mit einer Anekdote beantworten: Wir haben eine Presseanfrage an das Minderheitengremium „Serbski Sejm“ geschickt, in der wir um ein Interview mit einem Mitglied gebeten hatten. Ein paar Minuten später wurde uns abgesagt, mit recht harschen Worten.

Der Grund war, dass wir in der E-Mail eine gendersensible Sprache verwendet haben. Das Interview sollte sich um die generelle Repräsentation der Lausitzer Sorbinnen und Sorben drehen. Später haben wir noch einmal ein Vorstandsmitglied angerufen, und plötzlich war man doch bereit mit uns zu sprechen.

Es ist kurios, dass manche Männer fast Schnappatmung bekommen, wenn das Wort Feminismus fällt oder gegendert wird. Auch Novi Glas hat durch das Verwenden von gendersensibler Sprache einige Abonnenten verloren. Ich denke, dass es diese Tendenzen und Beispiele sowohl bei Minderheiten als auch bei der Mehrheitsbevölkerung gibt.

Welche Funktion haben diese Traditionen wie der Osterritt für die Minderheit?

KV : Die Zahl der Sprecher:innen des Sorbischen nimmt ab, interessant ist aber, dass das Interesse junger Menschen am Osterreiten ungebrochen ist. Diese Tradition dient als Definition für die Lausitzer Kultur. Beim Osterritt können sich Menschen als Teil der Minderheit zeigen.

LL : In der Lausitz kann sich jeder als Sorbe oder Sorbin bezeichnen bzw. der sich so fühlt, das erlaubt das so genannte Sorbengesetz. Diese Identifizierung kann Ihnen auch nicht abgesprochen werden.

Wie hat das Publikum, insbesondere das Lausitzer-sorbische Publikum, auf den Film reagiert?

LL : Wir wollten im Film das gesamte Meinungsspektrum zum Thema zeigen. Der Dokumentarfilm konzentriert sich zwar auf Frauen, sowohl auf diejenigen, die eher traditionell orientiert sind, als auch auf diejenigen, die progressiver sind.

Nach der ersten Vorführung kam es zu sehr lebhaften Diskussionen. Bei der Veranstaltung in den Räumlichkeiten des Klubs Slowenischer Studentinnen und Studenten in Wien waren auch einige Sorb:innen dabei und anschließend konnten wir auch dort in der Diskussion ganz unterschiedliche Meinungen hören. Ich freue mich, dass der Film für Diskussionen sorgt!

Wie beurteilt ihr eure Position als Filmemacher, die keine Lausitzer Sorben sind?

KV : Vor allem Filmemacherinnen aus der sorbischen Minderheit haben sich bereits mit diesem Thema beschäftigt. Wir haben den Film aus einer Außenperspektive gedreht und hatten einen anderen Ansatz. Wir hatten den Vorteil, dass wir neutral auf alle Menschen zugehen konnten, weil wir sie einfach nicht kannten und sie uns nicht kannten. Eine solche Dokumentation über die Burgenlandkroaten könnte ich nicht machen. Ich würde viel zu tief in die Materie eintauchen.

LL : Wir sind auch sehr dankbar, dass die Menschen uns so herzlich aufgenommen haben und bereit waren, mit uns zu sprechen. Es war äußerst interessant, in diese Welt einzutauchen!


Erschienen im Juli 2024 auf novice.at